Schulgeschichte

150 Jahre – eine wechselvolle Schulgeschichte im Rückblick

Am 4. Oktober 1869 war der erste Schultag der Deutschen Schule Genua und der 4. Oktober ist damit ihr Gründungstag, an dem zwei Lehrer mit 18 Schülern in zwei Klassen den Unterricht aufnahmen.


Aber noch zweimal musste die Schule wieder von vorne beginnen: Während des Ersten Weltkriegs wurde sie am 7. Mai 1915 geschlossen und acht Jahr später, im Oktober 1923, öffnete die Schule erneut mit 15 Kindern in 3 Grundschulklassen. Auch in dieser Phase wuchs die Schülerzahl schnell an, doch der Zweite Weltkrieg führte zu einer weiteren, langen Phase der Schließung: Im Sommer 1943 wurde die Schule geschlossen und erst 1955 begannen wieder 18 Grundschüler in 4 Klassen mit dem Unterricht.

 

Es ist also eine überaus wechselvolle Geschichte, von der es hier zu berichten gilt. Sie zeigt den Pioniergeist, mit dem Menschen, denen diese Schule wichtig war, immer wieder von vorne begonnen haben, und sie zeigt auch, dass es trotz aller Widrigkeiten der Geschichte einen großen Wunsch vieler Eltern nach dieser Form der Bildung gibt.

…und immer wieder ein Umzug

Auch die Unterbringung der Schule war nicht immer einfach: Die angemieteten Räume wechselten gerade in der Anfangszeit häufig, so oft, dass zum Teil nicht einmal ganz klar ist, wo der Unterricht stattfand: In den Annalen ist zunächst die Rede von einem Schullokal in der „Acquasola“, 1871 zog die Schule dann in den Palazzo Spinola um, zur Zeit der Trennung zwischen der evangelischen Kirche und der Schule 1897 (s.u.) befand sich die Schule in der Via Assarotti 31. 1901 bezog man neue Räume in der Via Goffredo Mameli 33, wo deutlich mehr Platz war. Als auch dieser Platz nicht mehr ausreichte, entschloss sich der Vorstand, den Palazzo in der Via Caffaro 34B anzumieten. Am 1. Oktober 1908 bezog man das Schulhaus, das der Vorstand mit Unterstützung der evangelischen Kirchengemeinde im Jahr darauf käuflich erwarb.


Eines der ältesten Fotos vor dem Schulgebäude in der via Caffaro – Garten der ersten Klasse (1908).


Die Via Caffaro blieb daraufhin der Sitz der Schule bis in das Jahr 2001, erlebte und überlebte daher die beiden Zeiten der Schulschließung. Nach Verkauf des Schulgebäudes zog sie in die weitaus größeren Räume des Istituto Ravasco in der Via Mylius 1 um, wo sie bis heute residiert. 1995 erwarb die Bundesrepublik Deutschland ein Grundstück in der Via Liri für den lang ersehnten Schulneubau. Im Jahre 1998 wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, aber 1999 wurde der Schule mitgeteilt, dass die Mittel für den Schulneubau nicht zur Verfügung gestellt werden. Im Sommer 2001 konnte die Schulgemeinde zur Miete in die aktuellen Räume des Istituto Ravasco umziehen.

Und so begann die Schulgeschichte:

Der wirtschaftliche Aufschwung des Genueser Hafens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass immer mehr deutsche Familien sich in Genua ansiedelten. Sie fanden zunächst Heimat in der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde, die sich 1868 konstituierte und bereits kurz danach beschloss, ein Schulkomitee zu bilden, das den Auftrag hatte, eine deutsche Schule zu gründen, was ein Jahr später in die Tat umgesetzt wurde. Die industrielle Entwicklung Deutschlands und der Beginn der deutschen Kolonialpolitik führten zu engen Handelsbeziehungen mit Italien und gerade der Hafen von Genua wurde für Deutschland interessant: Allein zwischen 1890 und 1896 wuchs die Zahl der deutschen Schifffahrtsgesellschaften in Genua von drei auf zehn an. Parallel hierzu stieg die Schülerzahl stark an und 1897 konnte sich die Evangelische Gemeinde als Schulträger zurückziehen. Die Gründe hierfür waren vor allem finanzieller und steuerlicher Art. Die Gemeinde war der Schule jedoch nochmals sehr hilfreich, als sie bereit war, das Gebäude in der Via Caffaro 34B zu erwerben und es dann dem Vorstand der Schule für eine entsprechende Summe zur Verfügung zu stellen. Wenig Platz für viele Kinder

Auch im Inneren erfuhr die DS Genua einen Ausbau: Auf den Kindergarten folgten vier Klassen und seit dem Schuljahr 1903/04 führte die weiterführende Schule in 9 und bald darauf in 10 Jahren zu einem Abschluss, der dem einer Realschule entsprach.

Die DS Genua in den Wirren der Kriegszeiten

Der Besuch des deutschen Kaisers in Genua, den auch die Schüler der Deutschen Schule bejubeln durften – ein Foto hängt im Flur des Verwaltungstraktes – war für die DSG ein Höhepunkt.
Besuch des Kaisers Wilhelm II wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg.
Doch kurz darauf, am 7. Mai 1915, also dem zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs, wurde dem Schulleiter von Hassel mitgeteilt, dass die Schule geschlossen würde. Von Hassel berichtet ergreifend von diesem Moment seiner Trauer und der der Eltern und Schüler.

Nach den Wirren der Kriegsjahre, der folgenden Inflation und Armut war es vor allem Außenminister Stresemann, der die Bedeutung der deutschen Auslandsschulen als Grundlage der auswärtigen Kulturpolitik erkannte. Die finanzielle Unterstützung der Auslandsschulen wurde in seiner Amtszeit verstärkt. Mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus nahm der Einfluss der Politik auf die Auslandsschulen zu: Deutsche Auslandslehrer wurden nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ab 1933 auf ihre „rassische Reinheit“ und „politische Zuverlässigkeit“ überprüft. Schon 1934 gab es 400 Ortsgruppen der NSDAP im Ausland und die reichsdeutschen Auslandslehrer wurden in den „Gau Ausland“ aufgenommen. Die Zahl der vermittelten Lehrer und die finanzielle Förderung wurden erhöht, dafür mussten die Auslandsschulen die Räume für Parteiveranstaltungen zur Verfügung stellen, Propagandafilme zeigen, Feiern an Führers Geburtstag abhalten u.ä.. Im Bezug auf die DS Genua lässt sich aus den Akten keine über das Unumgängliche hinausgehende Anpassung an nationalsozialistische Vorgaben erkennen. Der Schulvorstand wurde jedoch zunehmend kontrolliert und 1937 setzte der deutsche Botschafter die Satzung des Schulvereins außer Kraft und ernannte selbst den Vorsitzenden, der alleine die Entscheidungen traf. Dass der „Durchgriff“ der Berliner Nationalsozialisten in die Klassenzimmer nicht immer in deren Sinne gelang, mag auch daran gelegen haben, dass die Zusammensetzung der Schülerschaft sehr international war: Von den 139 Schülern im Schuljahr 1940/41 waren nur etwa ein Viertel Deutsche und schon damals gab es für Schüler ohne Deutschkenntnisse Vorbereitungskurse. Eine Sektion der Hitlerjugend wurde jedoch auch in Genua eingerichtet: Der Turnlehrer und die Turnlehrerin wurden verpflichtet, die Hitlerjugend bzw. den Bund Deutscher Mädchen zu leiten.

Ab 1942 nahmen die Luftangriffe der Alliierten zu, und die Schule entschloss sich, mit ihren 150 Schülern im Schuljahr 1942/43 nach Chiavari umzuziehen, um dort in einem Hotel den Unterricht fortzusetzen. Im Sommer 1943 wurde jedoch der Schulbetrieb eingestellt. Nach dem Krieg gab es nur wenige Deutsche in Genua, sodass es 12 Jahre dauern sollte, bis man mit erheblichen Schwierigkeiten die DS Genua neu gründen konnte. Wieder wuchs die Schülerzahl rasch an: 1958 waren es bereits 134 und in den Siebziger Jahren herrschte in dem Gebäude der Via Caffaro drangvolle Enge. Bild Nr. 10: Turnstunde in der Via Caffaro.

Auf dem Weg zu einer modernen Schule

1967 erhielt die Schule die Erlaubnis, den Unterricht über die 10. Klasse hinaus bis zur Reifeprüfung fortzusetzen und nach drei erfolgreich durchgeführten Reifeprüfungen wurde 1973 die DS Genua als „Deutsche Auslandsschule, die zur Reifeprüfung führt“, anerkannt. 1975 wurden die deutschen Schulen in Italien im Bereich des Gymnasiums den italienischen Schulen durch ein Memorandum gleichgestellt, die Prüfungen damit auch von italienischer Seite anerkannt. Der Umzug in die Via Mylius 1 ermöglichte einen weiteren Ausbau des schulischen Angebots.

Heutigen Ansprüchen werden die Räumlichkeiten kaum noch gerecht, die Ausstattung entspricht zwar den Anforderungen an modernen Unterricht, es fehlten jedoch z.B. ein Kunstraum oder eine Sporthalle. Die Bundesrepublik hatte bereits 1995 in der Via Liri ein Grundstück gekauft und plante einen Neubau, dessen Umsetzung kurz bevorstand, als die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Sparmaßnahmen die finanzielle Unterstützung verweigerte. Heute im Jubiläumsjahr 2019 sind erneut alle Vorbereitungen für einen Neubau getroffen und die Anträge liegen bei den deutschen Behörden – 2019 ist also ein in jeder Hinsicht wichtiges Jahr für die DS Genua. 

 

Die Zusammenfassung der Schulgeschichte fußt auf dem zur 125-Jahr-Feier herausgegebenen Band “Centoventicinque anni di storia”, Deutsche Schule Genua 1869-1994, einer umfassenden und gründlichen Aufarbeitung der Schulgeschichte.

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